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Braucht kein eigenes Auto: Jochen Eggert ist meistens mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fahrrad unterwegs.

Das Original-Bericht können Sie im DÜW-Journal Ausgabe 3 - 2024 auf der Seite 16 finden.

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Carsharing im Landkreis Bad Dürkheim

Hand hält LED, Licht, was leuchtet
© Energieagentur Rheinland-Pfalz

Falls Sie jemanden kennen, der sich im Alltag aktiv für den Klimaschutz einsetzt und tolle Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt hat, melden Sie sich gerne bei der Klimaschutzmanagerin des Landkreises.

Kontakt: Natalia Koch

E-Mail: natalia.koch@kreis-bad-duerkheim.de

Jochen Eggert hatte sein letztes Auto mit Anfang 20. Das ist mehr als 40 Jahre her. Seitdem geht es auch gut ohne. Egal ob tägliche Erledigungen oder der Weg zur Arbeit, mit Bahn und Rad funktioniert das alles genauso gut. Und wenn es doch mal ein motorisierter Untersatz sein muss, dann greift er zum Beispiel auf Carsharing zurück.

Der 62-Jährige lebt mit seiner Frau seit gut zwei Jahren im generationenübergreifenden, genossenschaftlichen Wohnprojekt Froh2Wo in Bad Dürkheim. „Meine Frau war schon lange vor der Erstellung der Häuser involviert.“, erzählt Eggert.

Das Projekt umfasst vier Mehrfamilienhäuser mit 41 Wohnungen, rund 70 Menschen jeden Alters wohnen dort. Gemeinschaftlich genutzte Räume und Flächen ermöglichen es, viele Dinge zu teilen. „Der Klimagedanke war nicht der Hauptgrund, weshalb wir hierher gezogen sind“, sagt Eggert. „Aber klar schont es Ressourcen, weil man nicht so viel Platz braucht und Sachen teilen kann. Es ist eine gute Wohnform, so kann ich mir vorstellen, alt zu werden.“

Er habe in seinem Leben viel in WGs gelebt und sei nie gern allein gewesen. Auf den Dächern sind PV-Anlagen installiert, die Genossenschaft besitzt ein E-Bike mit Anhänger zum Ausleihen und Gästefahrräder, es werden Kleidertauschabende organisiert. Lebensmittel werden oft in großen Gebinden gemeinsam gekauft, die stehen in der Speisekammer
und jeder kann sich bedienen – das spart Verpackung. „Und wenn einer irgendwas braucht, das er nicht hat, dann fragt er einfach. Bei rund 40 Haushalten ist immer jemand dabei, der
es hat. Ich wollte zum Beispiel ein Osterlamm backen und brauchte die entsprechende Backform. Die musste ich nicht kaufen, die konnte ich mir leihen“, berichtet Eggert.

Der Klimagedanke sei bei ihm auch deshalb kein expliziter Grund gewesen, diese Wohnform zu wählen, weil Klimaschutz in jedermanns Alltag immer Thema sein sollte, findet er. „Das sollte doch immer dabei sein, dann passieren sinnvolle Entscheidungen automatisch“, sagt er.

Neben den schon vorhandenen Sharing-Projekten tüfteln die Bewohner von Froh2Wo an einem eigenen Carsharing-Konzept. Eine geschlossene Gruppe von fünf Haushalten, die sich ein
Auto teilt, gibt es bereits. Wenn Eggert ein Auto braucht, fragt er bei Nachbarn und Freunden, die Genossenschaft als Ganzes ist Mitglied bei Stadtmobil. Der Anbieter verleiht drei Autos in Bad Dürkheim. „Wir wollen dennoch gerne auch ein eigenes Carsharing etablieren. Wir haben schon gute Ideen, stehen aber noch am Anfang und haben noch nicht die wirkliche Lösung. Die Finanzierung ist gerade das Problem“, erläutert Eggert.

Eggert arbeitet als Herrenschneider am Pfalztheater in Kaiserslautern. Fünf Mal die Woche fährt er mit Rad und Zug zur Arbeit. Dafür hat er sich extra ein Faltrad besorgt, das als Gepäckstück im Zug gilt und sogar im Bus mitgenommen werden kann. Wenn es Ziele gibt, zu denen er absolut nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hinkommt, dann leiht er sich ein Auto. „Am häufigsten ist das leider, wenn die Bahn streikt.“ Ansonsten kann er gut darauf verzichten. „Ich habe mein ganzes Leben in Großstädten gewohnt, da ist es schon einfacher. Bad Dürkheim ist nicht vergleichbar mit einem solchen Ballungsraum. Aber es geht auch in Bad Dürkheim“, ist er überzeugt. Voraussetzung sei allerdings, dass man noch ausreichend mobil ist.

Zuletzt hat Eggert in Köln gelebt, aufgrund seines Berufs ist er viel in Deutschland rumgekommen. Geboren in Hannover und aufgewachsen im Ruhrgebiet, hat er auch in Hamburg und Münster gewohnt, war später an Theatern in Bielfeld und Bonn beschäftigt.

Er sei es gewohnt, nicht dauernd neue Sachen zu kaufen. „Mein Beruf als Schneider erlaubt mir, Kleidung länger am Leben zu halten. Am Theater machen wir oft nichts anderes als Sachen aus dem Fundus wieder zum Leben zu erwecken.“ So gehe er auch mit seiner Kleidung um – da komme nichts beim ersten Loch schon weg. „Das war schon immer so, ich muss auf nix verzichten. Wir haben gar keine andere Chance als so zu leben, das ist für mich selbstverständlich.“ Aber er würde sich nicht als „absoluten Klimamenschen“ bezeichnen: „Ich denke da nicht dauern drüber nach. Ich versuche einfach an manchen Stellen meinen CO2-Fußabdruck klein zu halten. Das bestimmt nicht mein Leben von vorne bis hinten.“

Was rät er anderen, die ihre Klimabilanz verbessern wollen? „Das allereinfachste ist, sich zu fragen, wie bewege ich mich von A nach B? Muss ich diese Fahrt mit dem Auto machen? Muss ich sie überhaupt machen?“ Man müsse das Auto nicht wie selbstverständlich benutzen, nur weil es vor der Tür stehe.

Das Deutschland-Ticket bezeichnet Eggert als ersten größeren Schritt in die richtige Richtung: „Es hat Fahrten echt vereinfacht, man muss in einer anderen Stadt nicht mehr nachdenken.“ Er hofft, dass es vielen einen Anreiz gibt, mehr mit dem ÖPNV unterwegs zu sein und es nicht wieder zurückgeschraubt wird. Seine Frau und er seien viel und
gerne unterwegs auf Reisen. Häufig mit der Bahn und mit dem Fahrrad, aber auch mit Freunden im Auto. „Ich stelle fest, dass mir Europa reicht“, sagt Eggert. Aber er sei vor ein paar Jahren auch mal nach Afrika geflogen. „So dogmatisch bin ich nicht. Ich kann verstehen, wenn jemand so eingestellt ist. Aber für mich ist es okay, wenn ich eben sehr selten fliege.“

Autorin: Sina Müller